Lyonel Feininger fiel den Ribnitzern mit Sicherheit auf in ihrem überschaubaren Städtchen: Ein sehr großer und schlanker, auffallend modern gekleideter Fremder, der konzentriert beschäftigt war mit einer Tätigkeit, für die die Stadtbevölkerung sicher im besten Falle wohlwollende Neugier übrighatte.
Am 1. Dezember 1905 zählte die Stadt Ribnitz mit Außenbezirken genau 4972 Einwohner, die in 805 Häusern lebten.
Überwiegend Handwerker, viele Schlosser, Schornsteinfeger, Schuster, Maler, Uhrmacher, Zimmerer, Töpfer, Tischler, Weber, Korbmacher sowie Tabakspinner lebten in Ribnitz. Und, schwer vorstellbar heutzutage, zählte man im Jahr 1905 auch 14 Schlächter und 18 Schneider.
Feininger wanderte durch die kopfsteingepflasterten Straßen, verharrte, beobachtete und zeichnete. Diese Zeichnungen oder Naturnotizen, wie er die kleinsten davon nannte, entstanden vermutlich in recht kurzer Zeit, vielleicht in fünf bis dreißig Minuten. Sie sollten ihm aber zeit seines Lebens, auch nach seiner Rückkehr in die USA im Jahr 1937, immer wieder Inspirationen für größere Arbeiten im Atelier geben.
Trotz des sehr regen Ribnitzer Vereinsleben des beginnenden 20. Jahrhunderts, bestehend aus
Chören, Schützen- und Sportvereinen, Plattdeutschbühnen und vielem mehr, ist über die Bildende
Kunst nichts zu finden. Nur sehr wenige Menschen beschäftigten sich meist laienhaft mit dem Malen und Zeichnen.